Wer waren die Sterns?
Isaak Stern, der 1858 in Wehrda geboren wurde, hat dieses Haus zu Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts erstanden und sich als Viehhändler hier niedergelassen. Er war mit Julie, geb. Mosheim verheiratet. Auch Isaaks Schwester Johanna Stern (*19.5.1863 in Wehrda), genannt Hannchen - war zunächst Mitglied dieser Hausgemeinschaft.
In diesem Haus kamen auch Sterns Kinder zur Welt und wuchsen hier als „echte Cölber“ auf: Sally Stern, der am 1. Januar 1888 das Licht der Welt erblickte, und Rosel Regina Stern, die Rosa genannt wurde, am 9.August 1890.
1910 wurde dieses Haus an Balthasar Kohl verkauft, der in diesem Haus einen Kolonialwarenladen und eine Gastwirtschaft unterhielt. Es ist anzunehmen, dass Isaak Stern auch in diesem Haus diesen Gewerben nachgegangen ist. Im Staatsarchiv befindet sich Anfang 1890 ein Antrag auf eine Schankerlaubnis, den er stellte.
Warum ist Isaak Stern nach Cölbe gezogen?
Zum einen besaß Cölbe einen Bahnhof, der auch den Transport von Waren und Tieren ermöglichte. Zum anderen lebte mit der Familie Heß eine verwandte Familie hier im Ort. Goldine Heß, die Mutter von Paula Buchheim, genannt Golde, war eine Cousine von Isaak, die auch in Wehrda 1856 geboren wurde.
Hannchen Stern – Isaaks Schwester - heiratete am 27.12.1885 hier in Cölbe den Textilhändler Joseph Süß aus Watzenborn-Steinberg . Nach der Hochzeit zog sie zu ihrem Ehemann.
Joseph Süß, der 1919 und 1920 auch Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde in Watzenborn gewesen ist, starb am 17. Oktober 1938 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Watzenborn begraben.
Johanna hatte eine Tochter namens Emma.
Sie wurde am 19.9.1894 in Watzenborn geboren. Emma heiratete am 7.2.1921 den Kaufmann (Viehhändler) David Adler (*2.7.1895 in Niedermeiser, Kreis Hofgeismar) aus Grebenstein. Aus der Ehe gingen die Kinder Siegfried Kurt (*1922) und Lydia (*1922) hervor. Mit ihr hat Irma Wertheim aus Bürgeln noch gespielt, denn Irmas Cousin Siegfried Katz lebte auch in Watzenborn.
Emma wurde mit ihren Kindern Siegfried Kurt und Lydia am 22.11.1941 von Frankfurt aus deportiert und am 25. November 1941 in dem Vernichtungslager Fort IX bei Kaunas in Litauen ermordet.
Ihr Mann David Adler konnte am 30.4.1939 in die USA fliehen. Es gelang ihm nicht, seine Familie nachzuholen. Ihr Antrag vom 16.2.1939 auf Ausstellung eines Reisepasses zur Ausreise in die USA wurde nicht positiv beschieden. Ebenso wenig der Antrag ihres Sohnes Siegfried Kurt vom 29.12.1938.
David Adler lebte – wie mir Siggi Keats, so nannte sich Siegfried Katz später –telefonisch am 19.7.2018 mitteilte - in Chicago und betrieb dort erfolgreich ein Geschäft.
Johanna Süß, geb. Stern wurde am 18.8.1942 – neun Monate später als ihre Tochter Lydia - in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sie starb dort kurze Zeit später am 26.9.1942
Sally Stern und seine Schwester Rosa wuchsen hier in Cölbe auf.
Rosa Stern wechselte 1899 von der Volksschule Cölbe auf die Elisabethschule in Marburg, die sie bis 1902 besuchte.
Sally Stern erlernte in Marburg den Beruf des Bankkaufmanns und arbeitete dort bis zum Jahr 1935.
Die Familie Stern zog nach dem Hausverkauf nach Marburg in die Biegenstraße Nr. 27.
Rosa Stern heiratete dort am 14. Juni 1912 in Marburg den Kaufmann Richard Philippsborn (* 21.5.1880) aus Quedlinburg. Beide zogen danach wohl in die Kasseler Region, denn 1939 tauchen ihre Namen in einem Adress-Register in Kassel auf.
Am 9.12.1941 wurden beide in das Ghetto Riga deportiert. Von dort verbrachte man sie nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. Todesdatum: November 1943. Im März 1943 war dort schon William Philippsborn, der Bruder von Richard, ermordet worden.
Sally Stern wohnte in Marburg in der Barfüßertorstraße 34. Er heiratete am 27.7. 1920 in Frielendorf Rahne / Reischen Moses, die am 27.12.1890 in Ropperhausen geboren wurde.
Ihre Tochter Margot wird am 17.3.1921 in Marburg geboren. Sie besucht die Elisabethschule von 1931-1935. Ilse, eine weitere Tochter, erblickt am 11. Mai 1926 in Marburg das Licht der Welt. 1935 zieht die Familie nach Kassel um. Vielleicht in die Nähe seiner Schwester Rosa?
In Kassel besuchte Margot das Oberlyzeum Kassel.
Die Familie floh aus Deutschland und erreichte die USA am 6. April 1940. Rahnes Bruder Irving Moss, *26.10.1906 in Frielendorf lebte bereits in den USA. Er hatte den Namen Moses in Moss geändert und Isidor in Irving.
Sally Stern änderte auch seinen Vornamen in Stanley, da Sally in den USA ein Mädchenname ist. Er lebte in New York City. Sally starb 1971, Rahne, die sich auch Regina nannte, starb am 27. September 1976
Ihre jüngere Tochter Ilse Stern war in den USA mit Harry Greenwald verheiratet. Das kinderlose Paar lebte in New York. Harry starb am 1.2.2011, Ilse am 9.7.2015.
Margot Stern heiratete 1957 J. Harry Melniker, einen Absolventen der der Columbia School of Business. Er diente als Soldat im 2. Weltkrieg in dem Army Intelligence Corps im Pazifik. Er arbeitete in der Möbelindustrie. Er und Margot waren sehr reiselustig. Sie besuchten 85 Länder der Erde. Die Trauerfeier für Harry fand in der größten Synagoge der USA, dem Emanu El-Tempel in der 5th Avenue, 2013 statt.
Sie haben einen Sohn: Dr. Lawrence Aron Melniker, der in Brooklyn als Internist arbeitet. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Leider hat mir Dr. Melniker auf meine Schreiben hin nicht geantwortet. Sehr schade, denn ich hatte gehofft, von ihm weitere Informationen über seine Familie zu erhalten – und natürlich auch Fotos von seinem Großvater und seiner Großtante.
Verfasser: Hans Junker